Nachdem sich die „Gastfreundschaft“ in Grenzen hielt, und wir am Vorabend beim Züge gucken(!!) des Bahnhofs verwiesen wurden, bereiteten wir vorzeitig unsere Abreise vor, um zurück in die Hauptstadt zu fahren. Eines fehlte aber noch: Ein Foto der Grenzstrecke selbst. So bezogen wir am Morgen außerhalb des gelben Zauns und der Videoüberwachung des Bahnübergangs Stellung und warteten auf Fahrten über die EU-Grenze…
Wie bereits in der Fotostrecke des Vortages erwähnt, sind beide Spurweiten im Grenzgebiet anzutreffen. Dies veranschaulichen auch dieses und das folgende Foto: Eine EP07 von PKP Intercity kehrt aus Belarus zurück ins polnische Netz.
Eine Reise in die Gegenrichtung trat diese M62 an. Sie verkehrt auf dem vorderen, nicht elektrifizierten Gleis. Dafür weist es allerdings eine Spurweite von 1520mm auf. Von diesen Loks wurden zwischen 1964 und 1994 von der Lokomotivfabrik Luhansk in der heute umkämpften Ostukraine über 3200 Exemplare gebaut.
Diese Loks aus sowjetischer Produktion wurden zunächst an die ungarische MÁV als Erstkunden (später auch GySEV) sowie in die DDR, nach Polen, die Tschechoslowakei, Kuba und Nordkorea exportiert und bekamen hierzulande aufgrund ihrer prägnanten Geräuschkulisse den Spitznamen „Taigatrommel“. Zunächst als reines Exportprodukt konzipiert folgten später auch Breitspurloks für den heimischen sowjetischen Markt.
Dann war es so weit: Von der eingleisigen Grenzbrücke im Hintergrund zog eine 2M62 einen Containerzug der Neuen Seidestraße aus China in die EU. Bemerkenswert ist hier, dass sowohl Breitspur- als auch Normalspurzüge die Brücke überqueren können: Sind sonst getrennte Gleise gebaut worden, sind im Bereich der Brücke schlichtweg drei Schienen vorhanden…
Insgesamt wurden zwischen 1976 und 1988 2522 2M62-„Hälften“ gebaut. Kennzeichen der Doppelloks ist, dass sie nur einen Führerstand besitzen. Für noch mehr Power auf der Schiene entstanden letztlich auch Dreifachloks „3M62U“ ab 1985, diese brachten es auf 312 einzelne Loks (= 104 Dreifachloks).
Nachdem es mit dem Wunschmotiv völlig unbehelligt klappte, machten wir uns wieder auf den Weg in Richtung Westen, dieses Mal aber mit Fotohalten entlang der Strecke. In Siedlce stellten wir uns an einen Bahnübergang, wo uns ein Stadler FLIRT der Koleje Mazowieckie kurz vor seinem Endbahnhof begegnete.
Hinter diesem Namen verbirgt sich der lokale Betreiber des Regionalverkehrs in der Woiwodschaft Masowien. Zum Fuhrpark gehören neben den im ersten Beitrag zahlreich gezeigten EN57-Fahrzeugen auch deutlich modernere Triebzüge. Neben zehn dieser „alten“ FLIRT aus den Jahren 2007/08 kommen auch zahlreiche FLIRT 3-Fahrzeuge zum Einsatz, sie wurden hier bei Stadler Polska in Siedlce gebaut.
Unweit von der ersten Fotostelle positionierten wir uns noch einmal an einem Bahnübergang, wo die Strecke aber nicht durch Lärmschutzwände gesäumt war. Erneut fuhr eine ET22-Lokomotive der PKP Cargo, dieses Mal mit einigen Kesselwagen, vor die Linsen.
Etwas weiter westlich, aber immernoch bei Siedlce, entstand ein weiteres Bild eines FLIRT-Zuges. Bei der Strecke handelt es sich um die Eisenbahnstrecke E20 von Kunowice über Posen und Warschau bis Terespol, welche zugleich Teil des 2. Paneuropäischen West-Ost-Verkehrskorridors Berlin – Moskau (- Nischni Nowgorod) ist. Sie ist vollständig zweigleisig ausgebaut und durchgängig elektrifiziert.
In der Gegenrichtung nahmen wir hier noch einmal einen Intercity-Zug auf. Den Fernverkehr haben bislang die EP07 und EP09-Lokomotiven fest in ihrer Hand, modern aussehende Loks sucht man außer auf der Achse Warschau – Berlin mit ihren Siemens ES 64 U4 (in Deutschland Baureihe 183) bei PKP Intercity noch vergebens. Die neuste Anschaffung ist die seit 2015 eingesetzte Diesellok „PESA Gama“ (SU160). Von ihr wurden allerdings nur 10 Exemplare bestellt und es traten zahlreiche technische Probleme auf…
Die hier abgebildete Lokbaureihe wurde ab den 1960er-Jahren als EU07 gebaut. Ende des Jahrtausends erfolgten Umbauten an den bei höheren Geschwindigkeiten störungsanfälligen Loks, hierbei wurde das Getriebe umgebaut. Nach den Umbauten werden die Loks als EP07 bezeichnet. Die Loks des Typs EU07 und EP07 sind mit einer Höchstgeschwindigkeit von nur 125 km/h die langsamsten E-Loks im Fuhrpark von PKP Intercity. Dennoch besteht mehr als die Hälfte der E-Lok-Flotte der PKP Intercity aus EU07 oder EP07-Lokomotiven.
Bereits wieder in der Dämmerung erreichten wir den Großraum Warschau, genauer gesagt den Vorort Sulejówek, wo sich die Regionalzüge der Koleje Mazowieckie bereits wieder die Gleise mit der S-Bahn (SKMWA) teilen müssen – in diesem Fall mit der Linie S2.
Nach dem Einchecken in der Unterkunft fuhren wir mit der SKMWA in die Innenstadt. Zunächst ging es zum Ostbahnhof „Warszawa-Wschodnia“. Hier wartete ein Pendolino der PKP Intercity auf neue Aufgaben.
Wenige Momente nach der vorigen Aufnahme rollte ein Intercity mit einer EP09-Doppeltraktion auf dem Nachbargleis ein.
Die PESA Elf sind nicht nur bei der SKMWA im Einsatz, sondern auch im Regionalverkehr. 2140 138 verlässt in Kürze den Ostbahnhof als RL in Richtung Modlin.
Einige Gleise weiter rollte dann sehr bekanntes Rollmaterial ein: Doppelstockwagen der Generation 2003! Für diesen Doppelstockzug mit einer TRAXX am Zugschluss geht es später am Abend als RE3 nach Płock.
Im Jahr 2008 lieferte Bombardier die in Görlitz gefertigten Doppelstockwagen an die Koleje Mazowieckie aus, dabei handelt es sich um 11 Steuerwagen der Bauart ABpbdzf und um 26 Mittelwagen vom Bauart Bmnopuxz. Nachdem sie zunächst noch von EU07-Loks gezogen wurden, übernehmen seit 2011 moderne Bombardier TRAXX P160DC die Traktion. Passend zu den 11 vorhandenen Steuerwagen wurden 11 Loks beschafft.
Später bestellte die Koleje Mazowieckie weitere Doppelstockwagen und Zugloks, dieses Mal allerdings bei PESA. So entstanden noch einmal 2 Steuerwagen (316B, Bauart B16bfmnopuxz), 20 Mittelwagen (416B, Bauart B16mnopuxz) vom Typ PESA Sundeck sowie zwei PESA Gama-Elektrolokomotiven. Die neuen Wagen gingen 2016 in Betrieb, der Einsatzbestand erhöhte sich somit auf 13 Doppelstockzüge, wobei die PESA Sundeck-Wagen auch in Bombardier-Wagenparks eingestreut werden – wie bei diesem Zug. Zwischen jedem Görlitzer Dosto 2003 war ein PESA Sundeck-Wagen eingereiht.
Nach ein wenig Sightseeing samt Langzeitbelichtungen und einem wortwörtlich unterirdischen Foto der Warschauer U-Bahn ging es von der Bahnstation am Stadion wieder weiter. Vorher begegnete uns dort ein Newag Impuls-Triebzug der SKMWA auf der Linie S1. Sie wurden im Jahr 2012 in Betrieb genommen und stellten seinerzeit die modernsten Fahrzeuge der Warschauer S-Bahn dar. Seit Anfang des Jahres 2022 werden zu den neun in Betrieb befindlichen Fahrzeugen für die Linien S1 und S9 nochmals 21 weitere Impuls 2-Züge ausgeliefert.
Der Weg dorthin war allerdings bemerkenswert: Die Ausschreibung für 13-21 neue Triebzüge gewann ursprünglich PESA. Doch die Neufahrzeuge vom Typ Elf wurden nicht fristgerecht geliefert. Das erste Fahrzeug wurde von PESA mit dreimonatiger Verspätung ausgeliefert. In der Folge fanden Gespräche über einen neuen Lieferplan statt – der die SKMWA wohl nicht zufriedenstellte: Sie kündigten den Vertrag. Die neue Ausschreibung gewann dann Newag mit dem Impuls 2, das erste Fahrzeug der Bestellung nahm im März 2022 den Betrieb auf.
PKP Intercity setzt neben den Siemens ES 64 U2 noch mehr uns bestens bekannte Fahrzeuge ein: Stadler FLIRT 3. Anders als auf dem deutschen Markt bestehen diese Triebzüge in der IC-Ausführung aus gleich acht Wagen. Sie werden als ED160 bezeichnet, wurden i Siedlce gebaut und besitzen im Wagen 3 auch ein kleines Bordbistro. Bislang besteht die Flotte aus 20 Triebzügen, doch Nachwuchs ist bereits in Arbeit: 2019 wurde ein Vertrag über die Lieferung von 12 weiteren, der ersten Bauserie entsprechenden, Zügen unterzeichnet. Für ED160-012 geht es in Kürze von Warschau weiter nach Krakau.
Wesentlich handlicher kommt derweil diese FLIRT 3-Variante der Łódzka Kolej Aglomeracyjna daher: Sie besteht lediglich aus zwei Endwagen und ist in Deutschland auch nicht anzutreffen: Hierzulande bestehen FLIRT 3-Triebzüge bislang aus vier bis sechs Wagen, nur die neuen FLIRT AKKU sind in kleineren Größen mit zwei oder drei Wagen erhältlich.
Langsam war der Rückweg in die Unterkunft anzutreten, dieser führte erneut über den Ostbahnhof Warszawa-Wschodnia. Dort sollte um 23:02 der EN 17011 / 440 nach Berlin abfahren. Nachdem uns am ersten Tag in Polen bereits der Euronight Moskau <-> Paris begegnete, konnten wir nun den anderen russischen Nachtzug aufnehmen: Moskau <-> Berlin. Dieser besteht aus Talgo-Wagen mit Dieselgeneratoren an beiden Enden, weshalb er nicht einfach vom Ostbahnhof über den Hauptbahnhof zum Westbahnhof fahren darf, sondern einmal außen herum fahren muss. So wird in Warszawa Wschodnia (Ost) bzw. Zachodnia (West) ein Richtungswechsel nötig. Nach der Ankunft aus Moskau nahmen wir die 5370 005 ein erstes Mal auf. Aushilfsweise kamen auch hin und wieder gemietete Siemens Vectron-Maschienen aus MRCE-Beständen zum Einsatz.
Einige Minuten später stand die Lok dann am anderen Zugende, wodurch der Nachtzug zusammen mit der Warschauer Skyline aufgenommen werden konnte. Die Züge starteten vor der Pandemie immer freitags und sonntags in Moskau und erreichten den Berliner Ostbahnhof etwa 23 1/2 Stunden später. Die Züge der Gegenrichtung starteten samstags und montags. Die polnischen Loks kommen auch im deutschen Abschnitt bis Berlin zum Einsatz.
Die Striž-Züge (Стриж, deutsch: Mauersegler) nahmen 2015 ihren Betrieb auf der Strecke zwischen Nischni Nowgorod und Moskau auf. Eigentlich waren die Züge für eine neue Schnellverbindung von Moskau nach Kiew beschafft worden, doch nahm man aufgrund der politischen Spannungen rund um die Annektion der Halbinsel Krim hiervon später Abstand. Seit Dezember 2016 verkehren die bis zu 200 km/h schnellen Striž-Schnellzüge zwei Mal wöchentlich zwischen Moskau und Berlin. Eine solche Garnitur besteht aus 18 Personen- und 2 Generatorwagen, auf der Berliner Verbindung bestand er überwiegend aus Liegewagen. Der Striž Moskau – Berlin verkehrte über Brest. Dort erfolgte die Umspurung der Wagen im Rollen bei 15 km/h, sodass der Vorgang samt Lokwechsel in nur noch 20 Minuten statt der sonst üblichen 2 Stunden abgeschlossen werden konnte. Hierfür wurden drei der sieben gebauten 20-Teiler mit automatisch umspurbaren Laufwerken ausgestattet. Wie genau das geschieht, zeigt der Hersteller Talgo in einem kurzen >> YouTube-Video <<.
Durch die Pandemie entfiel die Nachtzugverbindung per 16. März 2020 und wurde bislang nicht wieder aufgenommen. Stattdessen wurden die Striž-Züge in Russland zwischen St. Petersburg, Moskau und Samara eingesetzt. Doch auch dieser Einsatz hat bereits ein Ende gefunden, zum 10. März 2022 wurden alle Striž-Verbindungen gestrichen. Zuletzt gingen die Betreiber von einer Wiederaufnahme der EN-Verbindung Berlin <-> Moskau im Dezember 2022 aus, doch steht auch diese Rückkehr – wie bereits die der Verbindung Paris – Moskau – unter einem großen Fragezeichen.
Eigentlich wollten wir die Abfahrt des EN nach Berlin noch abwarten, doch die Abfahrtszeit um 23:02 verstrich und auch gut 20 Minuten später war nicht erkennbar, wann es weitergehen sollte. So nahmen wir nochmal als Beifang eine EP09 auf, wobei diese hier eine Werbebeklebung trägt. Für den IC mit acht Wagen geht es in Kürze stadtauswärts und für die Fotografen mit einer der letzten Zugverbindungen zurück ins Hotel.
Beitrag veröffentlicht im Mai 2022.