Ausflug mit der Metro und Esko

An einem regnerischen Vormittag wurde Prag mal unterirdisch erkundet – mit der Metro der Linie C. Dort verkehren zugleich die neusten U-Bahn-Züge. Ab dem Mittag klarte es auf, sodass die Diesel-S3 abgelichtet werden konnte. Schließlich ging es am Abend noch einmal für den Sonnenuntergang in die Stadt.

Das Prager Metronetz umfasst derzeit drei Linien mit einer Streckenlänge von rund 65 Kilometern. Auf den Linien A (grün) und B (gelb) verkehren ältere U-Bahn-Züge, auf der Linie C (rot) die neueren Züge. Auf dem Weg zur Linie C nahm ich eine modernisierte Škoda 81-71M in der Haltestelle Českomoravská auf. Auf die Geschichte der Prager Metro und dieses Fahrzeugtyps gehen wir zu einem späteren Zeitpunkt ein.

Die Linie C wird ausschließlich mit den U-Bahn-Wagen der vierten Generation betrieben. Dabei handelt es sich um die Fahrzeuge des Typs Siemens M1, der ab 1998 gebaut wurde. Die Züge sind fünfteilig, gegenüber den älteren Wagen leichter und besitzen Asynchronmotoren, was zu einem geringeren Energieverbrauch führt. Der Fahrgastbetrieb wurde 2000 aufgenommen, bis 2006 wurden insgesamt 48 Züge gebaut. Bis 2011 wurden noch einmal fünf weitere Züge gebaut, die allerdings eine modernere elektrische Ausrüstung erhielten.

Wagen 4161 erreicht den nördlichen Endpunkt der Linie C Letňany. Der Bahnhof wurde im Mai 2008 in Betrieb genommen. Bemerkenswert sind die blauen Leuchtstreifen entlang der Bahnsteigkante, die bei Annäherung eines Zuges anfangen, zu blinken. An die Station schließt sich eine viergleisige Kehr- und Abstellanlage an. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofs befindet sich ein Flugplatz.

Zwei Stationen in Richtung Innenstadt sieht man ein wenig Tageslicht, was bei der Prager Metro nur selten vorkommt. Die ebenfalls 2008 eröffnete Station Střížkov liegt zwar unterirdisch, ist aber aufgrund der umfangreichen Verglasung lichtdurchflutet. Sie wurde für ihre hohen Baukosten, die Überdimensionierung und nicht ganz durchsichtigen Wegeführung in der Station kritisiert, erhielt aber z.B. einen internationalen Designpreis. Sie wird als eine der architektonisch bedeutendsten, aber zugleich auch teuersten Metrostationen Prags gehandelt.

An den Vortagen fiel bereits auf, dass es sich bei den Zügen der Linie S3 um mit Dieselloks bespannte Wendezüge handelt. So wurde das schlechte Wetter für eine kleine Fahrt heraus aus dem Zentrum genutzt. Hierfür ging es wieder zum Bahnhof Praha Masarykovo nádraží, wo die Linie S3 neuerdings ihren Endpunkt besitzt – genauso wie die (Verstärker-)Linie S34. Auf ihr kommen diese Dieseltriebwagen der Baureihe 813.2 mit Niederflurbereich zum Einsatz. Sie wird nicht etwa von der České dráhy betrieben, sondern vom privaten Anbieter KŽC Doprava.

Bei Aufnahme des Verkehrs 2013 wurden zunächst Dieseltriebwagen der Baureihe 810 eingesetzt. Der Verkehrsvertrag sah während der Laufzeit den Ersatz durch Neufahrzeuge vor, doch dazu kam es nicht. Stattdessen wurden 2019 zwei grundsanierte Züge der Baureihe 813.2 beschafft und in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um eine Rekonstruktion von Trieb- und Steuerwagen der Baureihe 810 (Bj. 1975 – 1982). Für die Rekonstruktion zeichnete sich die slowakische Firma ŽOS Zvolen verantwortlich. Die „neuen“ Züge ähneln den slowakischen Triebwagen der Baureihe 813.1. Bei der Modernisierung wurde eine komplett neue Innenausstattung samt Toilette, Fahrgastinformationssystem und Kameras eingebaut, genauso wie neue Motoren. Schließlich wurden Frontpartien und Türen getauscht. Seit dem Umbau erreichen die Züge eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h – vorher waren es „nur“ 80 km/h. Noch im Regen wartet 813 201 auf die Abfahrt nach Praha-Čakovice.

Auch der nach dem ersten Tschechoslowakischen Präsidenten benannte Bahnhof Masarykovo bringt eine bewegte Geschichte mit. Er liegt unweit des Prager Hauptbahnhofs und ist zugleich der letzte Kopfbahnhof Prags. Nicht unumstritten ist sein Titel als ältester Bahnhof Prags, da es einen früher eröffneten Bahnhof gibt, der sich damals aber noch nicht auf Prager Stadtgebiet befand. Heute verfügt der 1845 eröffnete Bahnhof über sieben Bahnsteiggleise. Hinter dem VT 813.2 ist die sanierte Wartehalle aus dem Jahr 1862 zu sehen.

Anfang des Jahrtausends wurde in der Politik kontrovers über die Stilllegung des inzwischen maroden Bahnhofs gestritten. Dazu gehörte auch die Frage, wo die geplante Eisenbahnverbindung zum Flughafen enden solle. Nach umfangreicher Kritik an der gewünschten Neubebauung des Areals wurde eine Revitalisierung begonnen: Hierfür wurde das Grundstück verkauft und der genutzte Teil langfristig angemietet. Neben der Station entsteht nun ein modernes Verwaltungs- und Handelszentrum, der Bahnhof wird schrittweise modernisiert und Endpunkt der Flughafenlinie. In diesem Zuge wird er zwei weitere Bahnsteiggleise erhalten. In das ehemalige Heizwerk soll die Lokomotivsammlung des Technischen Nationalmuseums einziehen.

Mit dem kleinen Triebwagen ging es nach Praha-Satalice, einem kleinen Bahnhof der hier eingleisigen Strecke 070 am Stadtrand. Er besitzt vier Gleise, drei Bahnsteigkanten und ist zugleich Kreuzungshalt der Züge der Linie S3. Der Betrieb wurde 1872 aufgenommen, aus dieser Zeit stammt auch das als Kulturdenkmal geschützt Bahnhofsgebäude noch. In ihm sitzt heute nur noch der Fahrdienstleiter.

Wendezüge waren lange Zeit in Tschechien (und der Tschechoslowakei) unüblich, da man von einem erhöhten Entgleisungsrisiko bei geschobenen Zügen ausging. Entsprechend galt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, wenn die Lok nicht an der Spitze des Zuges fährt. Diese Zeiten sind jedoch längst vorbei. Die Züge der Linie S3 werden aus drei Wagen gebildet, wobei ab Prag ein Steuerwagen der Bauart ABfbrdtn 795 an der Spitze läuft. Diese entstanden zwischen 2007 und 2010 durch einen Umbau aus Postwagen. Pars nova lieferte insgesamt 26 Steuerwagen an die České dráhy aus. Bis 2019 liefen sie sogar in Hochgeschwindigkeitszügen – trotz ihrer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

Steuerwagen 80-29 208-3 steht in Praha-Satalice an der Spitze der S3 nach Všetaty und wartet auf die Ankunft des Gegenzuges wenige Minuten später.

Der Gegenzug nach Praha Masarykovo nádraží erreichte Praha-Satalice pünktlich. Die Züge der S3 werden nach Prag planmäßig von Dieselloks der Baureihe 750.7 gezogen. Sie sind auch bekannt als Taucherbrille – aufgrund ihrer großen und sehr markanten Frontscheibe.

Wie der Zusatz .7 schon nahelegt handelt es sich auch hier wieder nur um eine Unterbaureihe… Zwischen 2010 und 2012 wurden 18 Loks der Baureihe 750 und eine Lok der Baureihe 753 von CZ LOKO zur Baureihe 750.7 umgebaut. Von den Spenderloks blieben hierbei nur Rahmen, Fahrzeugkasten und Drehgestelle übrig: Die gesamte Antriebsanlage wurde erneuert, ebenso die Führerstände. Zum Einsatz kommt seitdem ein Dieselmotor des Typs CAT 3512 C von Caterpillar. Schließlich wurden die Loks mit einer Wendezugsteuerung ausgestattet. Die Führerstände sind nun klimatisiert. Die Loks 705 bis 708 sind in Praha Libeň stationiert.

750 708 erreicht als S3 mit drei Wagen am Haken den Bahnhof Praha-Satalice. Anders als der Gegenzug sind in diesen nur blaue ČD-Wagen eingereiht. Während die von der Hauptstrecke rund um Praha-Vysočany aktuell einer umfassenden Sanierung unterzogen wird, scheint hier die Zeit stehen geblieben. Für einen sonst sehr präsenten Fahrgast im Bild wurde die digitale Zeitmaschine angeworfen.

Zurück in der Innenstadt ging es zu Fuß an der Moldau entlang, bis wir die Metro-Station Malostranská in der Altstadt erreichten. Dort begegnete uns zufällig ein Einzelstück der Prager Straßenbahn: Das T3 Coupé. Dabei handelt es sich um eine Rekonstruktion einer Tatra-Straßenbahn des Typs T3. Das Fahrzeug wurde im hauseigenen Depot Hostivař umgebaut und steht seit November 2018 für Charterfahrten zur Verfügung.

Die Planungs- und Bauzeit betrug zwei Jahre. In dieser Zeit wurde der T3R.P-Wagen 8497 von innen komplett neu ausgebaut: Er erhielt einen neuen Boden, eine komplett neue Bestuhlung, z.T. mit Sitzbänken, eine kleine Bar sowie Panoramafenster. Hinten ist der Wagen offen. Im Jahr 2019 wurde das Fahrzeug mit dem Red Dot-Designpreis ausgezeichnet. Für 7.700 Kronen pro Stunde (zzgl. Steuern, umgerechnet ca. 311 Euro) finden im T3 Coupé bis zu 31 Personen Platz. Der Wagen trägt seit dem Umbau die Wagennummer 5573.

Nur wenige Schritte weiter in Richtung Süden wurde dieser Blick auf die Prager Neustadt hinter der Moldau am Park Cihelna möglich. Während die Teilnehmer einer bezahlten Fototour ihre Bilder direkt vom Ufer aus aufnahmen, fing der Fotograf Stadt, Natur und Leben lieber aus Reihe 2 ein.

Einige Stunden später wurde der Sonnenuntergang ein zweites Mal genossen, dieses Mal von der Prager Hochburg Vyšehrad aus dem 10. Jahrhundert, die am folgenden Tag noch einmal bei Tageslicht besichtigt wurde.