Nach zwei Tagen im Planbetrieb auf der Selketalbahn war er nun gekommen: Der letzte Betriebstag der 99 5906. Die Interessengemeinschaft Harzer Schmalspurbahnen e.V. organisierte zum Abschied eine Fotofahrt, die wir aus dem Auto heraus verfolgten.
Die Zuführung der Mallet und ihres Sonderzuges nach Nordhausen ließen wir in aller Früh ausfallen, nach dem Frühstück ging es bei Elend einmal quasi vor der Haustür an die Strecke. Ein Neubautriebwagen passiert die Fotografen vor Kulisse des höchsten Bergs in Niedersachsen, dem Wurmberg (links) und dem höchsten Berg des Harzes, dem Brocken (rechts). Für den kleinen Triebwagen geht es nach Nordhausen Nord.
In diese Richtung ging es auch für uns, auf dem Weg zur ersten Fotostelle für die Abschiedsfahrt nahmen wir allerdings erst eine Straßenbahn aus Nordhausen auf. Nach der Wende entstanden Pläne, die Straßenbahn Nordhausen weiter nach Ilfeld über die Strecke der HSB fahren zu lassen, da sowohl die Straßenbahn als auch die Selketalbahn auf Meterspurgleisen fährt. Zur Landesgartenschau im Jahr 2004 wurde dieser Plan Realität und die beiden Netze wurden am Hauptbahnhof in Nordhausen verknüpft.
Da die Harzer Schmalspurbahnen ihre Strecke nicht elektrifizieren wollten, musste eine Sonderlösung her: Die Siemens Combino DUO – eine Combino-Straßenbahn mit Stromabnehmer für den Betrieb in Nordhausen und einem Dieselaggregat für die Weiterfahrt auf das HSB-Netz. Von diesem Typ wurden drei Fahrzeuge gebaut, nachdem ein Probeträger zur Jahrtausendwende bereits vor Ort getestet wurde. Unter der Woche fährt hier stündlich eine Straßenbahn, an Wochenenden alle zwei Stunden. Zusätzlich verkehren die Triebwagen und Dampfzüge der HSB bis Nordhausen Nord. Der letztgebaute Triebwagen 203 (HSB-intern 187 203) passiert die Fotografen auf dem Weg zur Ilfelder Neanderklinik zwischen Harztor und Ilfeld.
Noch vor dem Sonderzug verkehrte der reguläre Dampfzug auf der Selketalbahn. Die 99 7423 zieht ihre sieben Wagen in den Bahnhof Nordhausen Krimderode.
Dort wurde mit dem bereits bei Elend fotografierten Neubautriebwagen 187 018 gekreuzt.
Einige Zeit später konnte dann auch das erste Mallet-Foto des Tages entstehen. Wie bereits an den Vortagen wurde der Zug aus drei Wagen gebildet.
Eine ungeplant knappe Angelegenheit wurde das Foto zwischen Harztor und Ilfeld, da die Fahrzeiten nicht ganz eingehalten wurden – ein Fotohalt fiel wohl kürzer als geplant aus. Links im Bild ist der Steinbruch am Krohnstein westlich von Niedersachswerfen zu sehen.
Da der Zug lichttechnisch alles andere als günstig fuhr, entschieden wir uns direkt nach Unterberg zu fahren. Dort stand eine Kreuzung mit einem entgegenkommenden Triebwagen auf dem Plan. Natürlich hätte man auch in Eisfelder Talmühle kreuzen können, doch bot sich so die Gelegenheit, den Dampfzug einmal auf das Anschlussgleis des Steinbruchs zu drücken. Mit ausreichend Abstand zum Betriebsgleis und unter Aufsicht des Betriebspersonals warteten die Fotografen die Kreuzung ab. Dank flackernder LED-Schlusslichter beim Triebwagen 187 011 erkennt man nicht einmal auf den ersten Blick, dass es nur ein Nachschuss ist… Links neben der Strecke fließt die Bere, welche zugleich die Grenze zwischen Sachsen-Anhalt (diese Seite) und Thüringen (andere Seite) darstellt.
Nachdem die Fahrgäste wieder eingestiegen waren, setzte die Mallet ihre Abschiedsfahrt fort. Nur kurze Zeit später sollte (mutmaßlich) der Zug einen Waldbrand auslösen, der zu einer mehrstündigen Streckensperrung führte.
In Stiege wurde von der Mallet noch einmal die Wendeschleife durchfahren. Rings herum hörte man lange Zeit die Feuerwehrsirenen. 200 Kräfte aus 12 Feuerwehren im Umkreis und ein Polizeihubschrauber aus Thüringen bekämpften die Flammen bis in die Abendstunden. Zunächst brannten 2500 Quadratmeter am Hang, später insgesamt 2,5 Hektar. Der Einsatz löste Kritik an der Verfügbarkeit effektiver Brandbekämpfungsmittel, wie etwa Löschflugzeugen aus.
Unweit des Bahnhofs, nun aber auf der Stichstrecke nach Hasselfelde, bezogen wir für die letzten Meter der Lok noch einmal Stellung. Bevor die 99 5906 allerdings nach einer weiteren Drehfahrt nach Hasselfelde ausfahren durfte, kam von dort ein Neubautriebwagen zurück. Mit einigem Telezoom konnte er mit gleich vier P-Tafeln verewigt werden.
Nachdem die Ausfahrt aus Stiege ohne Sonne auskommen musste, wurden am benachbarten Bahnübergang die Fotografen für eine letzte Scheinanfahrt herausgelassen. Diese nahmen wir im Profil auf.
Schließlich fuhren wir nach Hasselfelde hinterher, wo wir etwa zeitgleich mit der 99 6001 ankamen.
Nachdem die 99 6001 wieder ausfuhr, konnte die rechts abgestellte Mallet sich auf ihre letzte Reise begeben. Noch ist sie allerdings von zahlreichen Fotografen gesäumt.
Blick in die 99 5906.
Dann war es so weit: Die 99 5906 wurde zunächst vor den Lokschuppen in Hasselfelde gestellt, etwas später ging es dann auch herein. Die Lok wird hier nun als Exponat bei der Interessengemeinschaft Harzer Schmalspurbahnen e.V. ausgestellt.
Und nun? Mit der 99 5906 endete die aktive Zeit der Mallets im Harz, ihr hätten Arbeiten am Kessel bevorgestanden. Doch der Abschied soll nicht von langer Dauer sein: Die Harzer Schmalspurbahnen gaben im Atemzug des Abschieds bekannt, dass eine der anderen drei, älteren und zugleich leistungsstärkeren Mallet-Lokomotiven aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts zum 125-jährigen Jubiläum der Harzquer- und Brockenbahn reaktiviert werden soll.
In diesem Sinne: Mach’s gut, 99 5906!
Langsam aber sicher stand der Heimweg auf dem Plan. Doch ehe es zurück ging, wurde der Sonnenschein nochmal genutzt. Neubautriebwagen 187 019 hat Drei Annen Hohne in Richtung Harzquerbahn mit Ziel Nordhausen Nord verlassen.
Auf der anderen Seite des Bahnhofs Drei Annen Hohne suchten wir schließlich für die Fahrt des „Harzkamels“ vom Brocken zurück nach Wernigerode noch eine Fotostelle. Dankenswerterweise fahren in Stunde 18 gleich 3 Züge von Drei Annen Hohne in Richtung Wernigerode – Rush Hour! Auf Motivsuche nahmen wir zunächst die 99 222 mit dem Dampfzug 8946 vom Brocken auf.
Die Lok 99 222 (zwischenzeitlich 99 7222) wurde Ende der 1920er-Jahre für die Meterspurstrecke Eisfeld – Schönbrunn gebaut, mit zwei weiteren Exemplaren. Während die Loks 221 und 223 nach Norwegen abgegeben wurden (und ab den 1950er-Jahren verschrottet wurden), blieb die 222 in Eisfeld und kam 1966 in den Harz. Die Harzer Schmalspurbahnen stellten nach der Übernahme der Lok von der Deutschen Reichsbahn im Jahr 1993 schrittweise das Erscheinungsbild der 1960er-Jahre wieder her.
Etwas weiter weg vom Bahnhof fanden wir noch diese Fotostelle, wo sich der Triebwagen 8906 aus Nordhausen gut umsetzen ließ. Zur Freude aller war es kein Neubautriebwagen, sondern 187 011, welchen wir bereits in Unterberg bei der Kreuzung fotografierten.
Für das „Harzkamel“ ging es dann wieder zurück an die Fotostelle des Dampfzuges, da schließlich mehr als nur ein Wagen hinter der Lok zu sehen sein sollte. 199 861 zieht den vorletzten Zug des Tages vom Brocken nach Wernigerode.
Eigentlich beabsichtigte die Deutsche Reichsbahn Mitte der 1980er-Jahre die Umstellung des Betriebs der Schmalspurbahnen auf Dieselloks. Für diesen Zweck sollten 30 Lokomotiven der Baureihe 112 (DR) auf Schmalspur umgebaut werden. Letztlich wurden aber nur 10 Loks in Stendal umgebaut, die erste von ihnen fand im November 1988 den Weg nach Wernigerode. Ab 1989 kamen zwei dieser Umbauloks regulär zum Einsatz, acht weitere folgten bis 1990. Den Spitznamen „Harzkamel“ erhielten die Loks der Baureihe 199.8 aufgrund ihres Fahrverhaltens.
Die Pläne der Umstellung auf Dieseltraktion wurden nach der Wende aus touristischen Gründen ad acta gelegt, sodass keine weiteren Lokomotiven umgebaut wurden. Ab 1996 begann der Einsatz von Triebwagen, sodass die Einsatzmöglichkeiten der Dieselloks sanken. Während die Loks 199 872 und 874 für den Güterverkehr mit regelspurigen Klapppuffern ausgerüstet wurden und gemeinsam mit der gezeigten 199 861 eine Funkfernsteuerung erhielten, wurden vier Loks an AdTranz verkauft, die übrigen drei Loks sind heute abgestellt. Nur die 199 861 hat eine funktionierende Zugheizung, sodass auch nur sie an den Personenzügen eingesetzt werden kann.
Mit diesem Bild endete ein ereignisreiches Fotowochenende im Harz und es ging wieder in Richtung Heimat zurück.