Rund um Warschau

Ende Dezember 2019 stand ein Fotourlaub der anderen Art an – und zwar an die EU-Außengrenze. Gemeint ist hierbei die Grenze zwischen Polen (Terespol) und Belarus (Brest), wo wir auf einigen Güterverkehr auf Breitspur hofften. Ehe es soweit war, erkundeten wir aber noch den Zugverkehr rund um die Hauptstadt Warschau.

Der Warschauer Flughafen ist sowohl mit S-Bahnen als auch Fernzügen von PKP Intercity zu erreichen. Zunächst begegnete uns diese S-Bahn der Linie S2, hierbei handelt es sich um einen PESA Elf-Zug („electric low floor“). Die Abkürzung SKMWA an der Front steht sinngemäß für S-Bahn Warschau, die erst im neuen Jahrtausend ihren Betrieb aufnahm. Die Strecke zum Flughafen ging erst 2012 ans Netz und wird ausschließlich von modernen Triebwagen bedient.

Nachdem wir unseren Mietwagen übernahmen, erkundeten wir die Gegend rund um den Flughafen. Es dauerte nicht lange, bis uns weniger moderne Züge begegneten: Bei Służewiec nahmen wir einen Regionalzug der Koleje Mazowieckie auf. Der gezeigte Triebwagen gehört zur Baureihe EN57 und erhielt 2018/19 eine kleine Modernisierung.

Weiter ging es nach Warszawa Dawidy. Auch dort fuhr uns ein EN57 der Koleje Mazowieckie vor die Linse. Die EN57 aus dem Hause Pafawag wurden zwischen 1961 und 1993 gebaut, so lange wie kein anderes Schienenfahrzeug der Welt. In diesen 31 Jahren entstanden mindestens 1429 Triebzüge.

Zum Fuhrpark der Koleje Mazowieckie gehören nicht nur 48 weitgehend unmodernisierte Triebzüge (EN57), sondern auch modernisierte Züge: 72 vom Typ EN57AKM und 66 vom Typ EN57AL.

Einer dieser EN57AKM-Züge mit moderner Fahrzeugfront erreicht in wenigen Augenblicken Dawidy. Durch neue Wechselstrommotoren können die modernisierten Züge besser beschleunigen und 120 km/h erreichen – die unmodernisierten EN57 schaffen gerade einmal 110 km/h. Die EN57AL-Züge wurden ebenfalls modernisiert und remotorisiert, zeigten sich uns jedoch leider nicht.

Gerade als wir zurück zum Auto gehen wollten, schloss der Bahnübergang noch einmal. Es näherte sich eine ET22-Lokomotive von PKP Cargo. Auch sie stammen aus heimischer Produktion – von Pafawag. Wie bereits die EN57 war auch diese Lok ein Dauerbrenner, zwischen 1969 und 1989 entstanden 1184 Loks dieses sechsachsigen Typs.

Unseren nächsten Halt legten wir südwestlich von Warschau in der Stadt Pruszków ein. Dort begegnete uns zunächst EU07-317 der PKP Intercity mit dem EN 452. Dabei handelte es sich um einen internationalen Zug mit Reisezugwagen der russischen RZD, welcher Dienstagabends in Moskau aufbricht und über Minsk, Warschau, Berlin und Frankfurt nach Paris fährt. Dort kommt er etwa 39 1/2 Stunden später an, die Rückfahrt dauert nur unwesentlich kürzer.

Unterwegs wird nicht nur mehrmals die Zugnummer gewechselt, der Zug erhält auch drei Mal eine andere Zuglok und wird bei einem mehrstündigen Aufenthalt in Brest umgespurt. In Warszawa-Wschodnia (etwa „Warschau Ost“) wird für den Abschnitt Warschau <-> Paris auch ein Wagen von PKP Intercity eingereiht, auf diesem Bild ist er an vorletzter Stelle zu erahnen. Dabei handelt es sich um einen Speisewagen.

Wenige Monate später musste im März 2020 diese Verbindung pandemiebedingt eingestellt werden. Vor der militärischen Eskalation im Osten Europas ging man von einer Rückkehr dieser internationalen Zugverbindung im Dezember 2022 aus, doch ob dieser Termin zu halten sein wird?

Kurze Zeit später folgte in Richtung Warschau ein Intercity-Zug von PKP IC. Die gerade einmal vier Wagen werden von einer EP09-Lokomotive gezogen. Diese wurden extra für den Schnellverkehr konzipiert und erreichten als erste E-Lok Polens eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h.

Aus Richtung Warschau passierte uns anschließend ein weiterer Güterzug mit ET22-842 als Zuglok, der wohl am häufigsten anzutreffenden Lokomotive bei PKP Cargo: Von den rund 1250 Loks im Fuhrpark gehören mehr als 850 Exemplare der Baureihe ET22 an.

Mit acht Wagen hatte EP09-039 etwas mehr zu tun. PKP IC stellte 47 Loks dieser Baureihe in Betrieb, sie wurden von 1986 bis 1997 gebaut. Auch wenn die EP09 moderner als die EP07-Loks sind, wirkt der Eisenbahnverkehr rund um Warschau optisch doch eher altbacken.

Mehr als 160 km/h erreicht das noch recht neue Flaggschiff von PKP Intercity: Der ED250 aus der Familie der Alstom Pendolino. Anders als der Name vermuten lässt besitzt die polnische Variante keine Neigetechnik. Dafür lässt sich die zulässige Höchstgeschwindigkeit aus dem Namen ableiten: Es sind stolze 250 km/h.

Dem aufmerksamen Leser mag dieser Anblick bekannt vorkommen, kommen doch auch Pendolinos in Deutschland zum Einsatz: Ebenfalls aus der vierten Generation der Alstom Pendolino stammen die ETR 610-Züge bzw RABe 503 der Schweizer Bundesbahnen, die planmäßig zwischen Zürich und München verkehren. Zwischen Mailand und Frankfurt am Main fuhren seit 2017 Schweizer Pendolinos, seit Dezember 2020 sind es die Italienischen Pendants.

Als letztes Bild entstand in Pruszków diese Aufnahme einer S1. Unweit des Fotostandorts befindet sich auch bereits ihr westliches Linienende. Anschließend wollten wir nochmal an der Hauptstrecke anhalten, doch fuhren wir den kleinen Škoda Citygo an der auf der Karte besser als in real aussehenden Fotostelle fest. So hatte die Befreiung des Autos Vorrang vor unansehnlichen Bildern…

Einige Stunden später erreichten wir dann das östliche Ende der Europäischen Union: Den Grenzbahnhof von Terespol. Zwecks Grenzkontrollen sind hier reichlich Zäune aufgestellt, ebenso müssen Passagiere für Züge in Richtung Brest/Belarus einen anderen Zugang nutzen. In der Nachschau überraschend unbehelligt blieben wir bei der Aufnahme der EP07-434 an einem IC-Zug nach Warschau. Dass das auch anders geht, sollten die nächsten Tage zeigen…

Beitrag veröffentlicht im Mai 2022.