Ende Mai verschlug es unseren befreundeten Fotografen Luca ins beschauliche Litauen, welcher uns für einen Gastbeitrag ein paar Bilder seiner Reise zur Verfügung stellt.
Litauen ist der südlichste Staat des sogenannten Baltikums, und grenzt im Südwesten an den Oblast Kaliningrad (eine russische Exklave an der Ostsee), im Süden an Polen, im Westen an Belarus (Weißrussland) und im Norden an Lettland. Inzwischen hat die Stadt Berlin mehr Einwohner als gesamt Litauen, Tendenz sinkend.
Nachdem der Flieger in der litauischen Hauptstadt Vilnius landete führte der Weg erst einmal ins Hotel und anschließend direkt zum Bahnhof, um einen ersten Eindruck der dortigen Eisenbahn zu erhaschen und um einen Fahrschein nach Klaipeda, der größten Hafenstadt Litauens, zu kaufen. Als ich ankam war der Bahnhof menschenleer, nur auf Gleis 9 stand ein Zug abfahrbereit nach Ignalina, die Abfahrtszeit war allerdings erst in zwei Stunden – also ausreichend Zeit für ein Foto… Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen DR1AM der Litauischen Staatsbahn LTG, welcher in den 1980er-Jahren in Riga gebaut wurde.
Nach kurzer Zeit fuhr ein Personenzug aus Richtung Kaišiadorys in den Bahnhof ein, dieser endete in Vilnius. Dabei handelte es sich um einen DR1AMv, eine modernisierte Form der DR1AM. Neben einer anderen Form der Front besitzt der DR1AMv einen Steuerwagen anstatt zweier Motorwagen.
Der gleiche Zug noch einmal beim Wenden am Bahnsteig. Hier ist der Motorwagen mit der alten Kopfform zu sehen. Kurze Zeit später setzte der Zug in das Depot Vilnius aus.
Anschließend ging es zum Fahrkartenkauf in die Schalterhalle, doch kurz bevor ich an der Reihe war, sah ich einen lokbespannten Personenzug einfahren. Mein erster Gedanke war: ,,In Litauen gibt es keine Lokbespannten Personenzüge mehr“. Und dem ist auch so, mit einer einzigen Ausnahme: Dem Nachtzug der RZD (Russische Staatsbahn) von Kaliningrad nach Moskau (via Minsk). Da der Zug Litauen ohne Fahrgasthalte passiert, sind für den Zug keine Fahrzeiten „bekannt“. Neben einem kurzen Betriebshalt in Vilnius hält er nur an den Grenzbahnhöfen zum Lokwechsel.
Um dennoch ein Foto zu bekommen, rannte ich zum Bahnsteigende. Der Zug wird sehr gut bewacht und hält auch nur an einem gesonderten Bahnsteig, welcher mit Toren und Stacheldraht vom restlichen Teil des Bahnhofs abgetrennt ist. So war es auch kein Wunder, dass ich ins Visir zweier Bahnpolizisten bzw. Sicherheitsbeamte (die „Apsauga“) geriet, welche mit dann einige Minuten folgten…
Am nächsten Tag ging es dann mit einem hochmodernen VT aus dem Hause PESA nach Klaipeda. Es handelt sich um einen 2016 gebauten PESA 730ML. Im Fahrpreis inbegriffen ist offenbar auch eine Massage: Mit 160 km/h ging es sechseinhalb Stunden lang über nur gelaschte Gleise in den Westen des Landes. Angekommen in Klaipeda konnte ich dann meinen Zug am Bahnsteig fotografieren, links im Hintergrund ein PESA 620M – eine Art Schienenbus.
Da Klaipeda die größte Hafenstadt in Litauen ist, erwartete ich einen regen Zugverkehr auf der Hafenbahn, nur war es ungünstig, nicht genau zu wissen, wo eben diese ist… So beschloss ich eine Wanderung ins Blaue – wortwörtlich: Bei wolkenlosem Himmel ging es in Richtung Ostseeküste. Nach etwas mehr als einer Stunde Fußmarsch (immerhin rund 7,5 Kilometer) gelangte ich an einen Bahnübergang. Das Licht stand gut, so wartete ich dort auf einen Zug. Eben dieser kam auch: Eine Lok ohne Zug im Gegenlicht. Mist. Es war Sonntagabend, der Zug kam aus dem Hafen ,,Jetzt machen die Feierabend“ dachte ich mir…
Aber stur wie ich bin, wartete ich – und es sollte sich lohnen! Nach etwa einer Stunde kam die Lok von mit einem weißrussischen Kalizug zurück. Die große Doppellok (2TE116 409, gebaut 1979 in Luhansk) hörte man schon von weitem. Betrieben wird dieser Zug im Übrigen von der einzigen Privatbahn Litauens, der ,,GG Rail“. Zurück in die Stadt nahm ich allerdings den Bus…
Zwei Tage später war ich in Kaunas, der zweitgrößten Stadt Litauens. Dort postierte ich mich am Staudamm von Kaunas, über diesen führt eine Art Verbindungsbahn. Durch Kaunas führt der einzige Eisenbahntunnel in ganz Litauen, aber dieser darf nur von Personenzügen befahren werden. Daher gibt es einen Schlenker südlich der Stadt, der von den Güterzügen genutzt wird. Eine 2M62 zieht hier ihren 1000m langen Güterzug über den Staudamm.
Gleiche Szenerie, andere Lok: „High-Tech“ aus München fährt hier in Form eines Siemens EuroRunner 20CF mit ihrem Güterzug über den Staudamm.
Zurück in Vilnius stand ein ER9M – auch Elektrischka genannt – am Bahnsteig, abfahrbereit als Regionalzug nach Trakai. Diese elektrifizierte Strecke wird den ganzen Tag nur von einem ET bedient, in diesem Falle von einer interessant bemalten Elektrischka.
Direkt am Bahnhof von Vilnius befindet sich das Litauische Eisenbahnmuseum. Der Innenbereich im Bahnhofsgebäude war durch Renovierungsarbeiten leider geschlossen, das Außengelände wurde nach einigen Telefonaten extra für mich geöffnet. Dort wurde ich von einem sehr freundlichen Mitarbeiter herumgeführt der selbstverständlich kein Englisch sprach. Mit Händen und Füßen haben wir uns trotzdem verständigen können, wir verstanden uns prächtig.
Er zeigte mir eine M62 und machte mich auf ihre Beschriftung aufmerksam und sagte ,,Ist Deutsch“. Auf meine Rückfrage warum die Beschriftung deutsch sei, wusste er nur mit einem höflichen Lächeln der Unverständnis zu antworten. Spätere Nachforschungen ergaben, dass diese Lok im Jahr 1970 an die Deutsche Reichsbahn als „V200 304“ ausgeliefert und noch im selben Jahr in „V120 304″ umgezeichnet wurde. 1994 erfolgte der Verkauf an die LG in Litauen. Seit 2012 gehört die Lokomotive zum Bestand des Museums und behielt ihren Namen ,,V120 304“ einfach über die ganzen Jahre.
An meinem letzten Abend ging es dann einige Kilometer vor den Bahnhof von Vilnius. Kurz nach meiner Ankunft tauchte auch schon ein EJ575 der LTG auf. Gebaut wurden diese Züge von Skoda. In Tschechien verkehren sie als ,,City-Elefant“.
Kurze Zeit später folgte eine Art Bauzug, gezogen von einer TEM TMH der LTG Cargo.
Und zu guter Letzt noch ein DR1AMv kurz vor Sonnenuntergang. Am nächsten Tag stand dann über Warschau wieder die Rückreise in die Heimat an.
Vielen Dank an Luca für den kleinen Reiseblog aus Litauen! Auf Instagram zeigt er seine Bilder als @zugmeldestelle.